Selbst(st)ändigkeit

Denk dran, Selbständigkeit heißt „selbst“ und „ständig“ – das waren die Worte meiner ehemaligen Chefin, bevor ich mich im Herbst vor 3 Jahren in die Selbständigkeit verabschiedet habe.

Mit unserem Salzspielplatz „nasefrei – spielraum für meer luft“ konnte ich ein Herzensprojekt umsetzen: eine kleine Wohlfühloase für Familien. Das erste Jahr lief gut an, schnell hatten wir Stammgäste, aber täglich kamen neue Besucher dazu. Es war für uns als Familie eine Umstellung, aber es war keine Belastung, weil wir alle gerne im nasefrei sind.

 

Aber Sandra sollte recht behalten – selbst und ständig eben.

SELBST: Ich musste plötzlich so viele Entscheidungen treffen. Und immer wieder ließ ich mich von außen verunsichern. Ich wollte es (und will es auch heute noch oft) jedem recht machen, aber das funktioniert nun mal nicht. Und am Ende des Tages ist es mein Unternehmen, ich trage die Verantwortung und bin diejenige, die die Rechnungen bezahlt.

STÄNDIG: Man hat nie richtig frei. Auch wenn wir über die Sommermonate keine 7 Tage die Woche geöffnet haben, es gibt immer etwas, woran man denken muss (kleine Reparaturen z.B.), was man besorgen muss (Toilettenpapier, Taschentücher etc.), was noch erledigt werden muss (Buchhaltung, Werbung, Social Media). Man ist immer erreichbar, auch wenn es z.T. vielleicht nur per email ist.

 

13 Monate nach unserer Eröffnung kam Corona – und damit hat sich vieles verändert, auch für uns. 3 Monate geschlossen im ersten Lockdown bei weiterlaufenden Kosten. Wir haben es stemmen können, haben uns parallel informiert, nach Studien geforscht zum Thema Salzinhalation und Coronaviren, hatten mit Medizinern, Virologen und Aerosolforschern Kontakt. Wir wollten kein Risiko eingehen. Wir haben Ventilatoren und Luftfilter eingebaut, um unseren Besuchern einen möglichst sicheren Aufenthalt bei uns zu ermöglichen.

Als es im September / Oktober wieder richtig los ging bei uns, kam der zweite Lockdown. Weitere 7 Monate (!) hatten wir geschlossen, den kompletten Winter über keine Einnahmen – ausgerechnet zu einer Zeit, in der wir normalerweise Geld verdienen und für die eher ruhigen Sommermonate vorarbeiten.

Wir haben es geschafft, durchzuhalten, den Kopf nicht ins Salz zu stecken und haben nun wieder seit Juni geöffnet. Wieder im Sommer. Wieder mit Einschränkungen. Aber immer noch mit denselben Preisen, die seit der Eröffnung gültig sind.

Es ist schön, so viele alte und neue Gesichter zu sehen, es tut gut zu hören, dass das nasefrei vermisst wurde. Das ist Balsam für die Seele.

Trotzdem fühlt es sich manchmal fremd an. Ich mochte das Konzept des spontanen Vorbeikommens lieber. Ich mochte das Kommen und Gehen, das Gewusel. Und ich habe das Gefühl, die Besucher untereinander kamen öfter ins Gespräch, tauschten sich aus – es war einfach mehr Nähe da. Die Stimmung war ausgelassener. Wir versuchen das Beste daraus zu machen – für unsere Gäste aber auch für uns.

 

Wir haben Sommer, mittlerweile haben in Hessen die Ferien begonnen und die letzten Tage waren warm und auch recht trocken. Da ist die Nachfrage bei uns geringer als im Herbst und Winter, wenn es draußen nass und kalt ist. Diese Thematik kennen alle Salzgrottenbetreiber. Daher haben wir die Öffnungszeiten reduziert und bieten aktuell nur an 5 Tagen in der Woche Salzspielzeiten an. Wenn wir keine Reservierungen haben, behalten wir uns vor, früher zu schließen, später zu öffnen oder auch einen weiteren Tag komplett geschlossen zu haben. Nach einem Winter 2020/2021 ohne Einnahmen können wir es uns jetzt nicht leisten, unwirtschaftlich zu arbeiten. Wenn der Laden geöffnet ist, entstehen automatisch Kosten (Sole, Vernebler, Strom, Fahrtkosten etc.). Wenn keine Termine gebucht sind, sparen wir uns diese Kosten. Wir wissen alle nicht, was uns die kommenden Monate noch erwartet, aber ich wünsche mir sehr, dass es das nasefrei auch in 2022 noch gibt und wir spätestens dann auch wieder einen unbeschwerten Herbst und Winter erleben dürfen.

  

Die Monate im Lockdown waren hart. Wir waren präsent auf Facebook und Instagram, wir wollten natürlich den Kontakt zu unseren lieben Kunden aufrechthalten. Dennoch waren viele Nächte schlaflos, die Zeit ohne Perspektive zwischen Existenzängsten und Homeschooling zehrte extrem an den Nerven.

Die meisten von euch wissen, dass wir ein Kita- und eine Schulkind haben, auch für die beiden stehen jetzt Ferien an. Und damit meine ich auch wirklich Ferien und nicht Zeit zuhause im Lockdown.

Wir werden uns am 07.08. in unsere Sommerpause verabschieden, die wir uns wirklich verdient haben. Es gibt Stimmen, die das nicht nachvollziehen können: „wie ihr macht Urlaub, ihr hattet doch jetzt Monate lang Urlaub“. Wenn ich so was höre, ist mir zum Heulen zumute. Insgesamt 10 Monate im Lockdown sind kein Urlaub, wenn man selbständig ist!!!

Wir haben letzten Sommer keine Reise gemacht und können uns in unserem Urlaub auch in diesem Jahr keine großen Sprünge leisten. Unsere Kinder haben sich tapfer durch die letzten anderthalb Jahre geschlagen. Und wir möchten jetzt einfach mal unsere Akkus aufladen, Dinge zusammen unternehmen, die jetzt wieder möglich sind, Kopf frei kriegen, Pläne schmieden.

 

Das ist wiederum das Schöne an der Selbständigkeit: ich kann die Entscheidungen treffen, denn ich muss am Ende auch die Verantwortung tragen.

Wir wünschen euch allen einen erholsamen Sommer! Und allen Selbständigen, die durch die Krise ebenfalls leiden, ganz viel Kraft, Nerven und Durchhaltevermögen!